Dieses Stück sitzt

Biedermann und die Brandstifter

Ein Bericht von Klaus Schade.

Dieses Stück sitzt. Es sitzt im Sinne: Jede, jeder beherrscht ihren/seinen Part, das Stück ist aufführungsreif.

Dieses Stück „sitzt“ aber auch hinsichtlich seines Inhalts. Es sitzt, es geht unter die Haut.  Auf „Biedermann und die Brandstifter“ hat Max Frisch in seinem 1958 uraufgeführten Bühnenstück sein Augenmerk gelegt. Er hat ihm das Attribut „Lehrstück ohne Lehre“ beigefügt. Indes: es ist unstrittig eine politische Parabel, eine Parabel für widerstandslose Hinnahme von totalitären Entwicklungen, ohne dass sich die Verbrecher überhaupt tarnen müssen. „Brandstifter stehen in einem erschreckend aktuellen Kontext mit unserer gesellschaftlichen Gegenwart“, stellt Regisseur Bertram Hensle fest und fügt die Frage hinzu: „Und wir – machen wir es besser als Biedermann?“

Der Theater-AG des Städtischen Gymnasiums Ettenheim ist mit Frischs Werk eine perfekte Inszenierung gelungen: Textsicherheit, glaubwürdige Personifizierung der verschiedenen Charaktere, perfekte Inszenierung des schwarzen Humors, bei dem man mal lacht, mal verstummt. Ja, man spürt es in jeder Aktion: die Schülerinnen und Schüler der G 10 und K 1, die da auf und neben der Bühne agieren, wissen um die Problematik der Rollen, die sie verkörpern, wissen um die gesellschaftliche Problematik dieser Parabel – und sie wissen um ihr beeindruckendes schauspielerische Talent. 

Der Inhalt ist schnell erzählt. Da ist der Haarölfabrikant Biedermann, ein Mann mit bescheidenem geistigen intellektuellen Horizont, - „bieder“ halt - eigentlich der typische Spießbürger, der den starken Max spielt, in Worten halt, um dann Verhaltensweisen an den Tag zu legen, die man ansonsten bei Hunden in Angstsituationen beobachtet. Er weiß aus der Zeitung, dass Brandstifter um die Häuser ziehen und bei deren Bewohnern einschleichen. Immer wieder muss die Feuerwehr ausrücken. Er würde denen schon Bescheid stoßen. „Wegsperren, abschieben, aufhängen“ – derlei Worte kommen dem Zuhörer doch erschreckend bekannt vor.

 Und dann klingeln sie bei ihm an der Tür, irgendwie kommen sie ins Haus, er lässt sie auf dem Dachboden hausen – und obwohl er sie mit all den Utensilien erwischt, die man zum Feuerlegen braucht, erliegt er ihrem Einschleimen, lädt  sie zum Essen ein. Seiner Frau geht es nicht anders. Als er sie fragt, wer sie denn seien, sagen sie ihm offen, dass sie Brandstifter sind, dass sie sich im Gefängnis kennengelernt haben. Solche Offenheit hält er für einen Scherz. Sie aber wissen: „Die beste Tarnung ist die Wahrheit, weil die sowie niemand glaubt.“  Auf ihr Bitten hin versorgt er sie sogar noch mit Streichhölzern. Und versucht, durch sein Verhalten zu erreichen, dass sie sein Haus verschonen. Das Ergebnis seines „biederen“ Geistes: Haus und Stadt enden in der Katastrophe. Ein lauter Knall, alle liegen reglos am Boden. Die Brandstifter haben sich natürlich rechtzeitig aus dem Staub gemacht. Das Lachen über so manchen gelungenen Gag, den sich die AG bei der Erarbeitung dieses Stücks zusätzlich ausgedacht hat,  über das zuvor komische Agieren aller verstummt abrupt.

Vergebens all die Warnungen, die der Feuerwehrchor immer wieder ausspricht, („Nichts machen heißt sich schuldig machen“). Ja, es stimmt: „Oftmals wissen die Leute, was in fernen Ländern geschieht, aber nicht, was unter dem eigenen Dach geschieht.“ 

Im Abspann belegen die jungen Schauspieler in Zahlen, welche rechtsextremen Verbrechen in jüngerer Zeit in Deutschland zu beklagen sind. Sie entrollen ein Transparent: „Nie wieder ist jetzt“.

Regisseur Bertram Hensle, der mit seiner 13 Kopf starken (ja: starken!) jungen Schauspieltruppe Frischs Werk seit Februar diese Aufführung zugeschneidert und einstudiert hat, hatte bei der Begrüßung nicht zu Unrecht „eine spannende Unterhaltung“ versprochen. Gunnar Weidner, der namens der Schulleitung nach der Aufführung Dank und Anerkennung aussprach – und das nicht nur bei Worten beließ – war es fast peinlich, dass ihm zur Aussage des Stücks das Attribut „brandaktuell“ entglitt – obwohl es kaum einen treffenderen Ausdruck gibt. „Jeder, der zu einer der beiden Aufführungen dieser Woche nicht da war, ist nicht zu beneiden“, so Weidner – und das Publikum sah es genauso. 

Gespielt wurden die Rollen von Janis Beuth (Gottfried Biedermann), Melissa Forental (Babette Biedermann), Meike Wintermeier (Sybille Biedermann), Mia Kiefer (Anna), Madlen Langlitz (Joe Schmitz), Anne Maurer (Willi Eisenring), Neele Moritz (Dr. phil.), Aaron Platzer (Chorleiter), Emma Schell (Witwe Knechtling), Lukas Bürkle (Polizist), Maxime Himmelsbach, Leo Mösch, Julius Geppert (Feuerwehrkapelle) . 

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Foto: Bertram Hensle