>SEL-Chor>1997 Dvorak

1997: Dvorak - Messe D-Dur


Ettenheimer Heimatbote vom 10.03.1997
Text: Helmut Reiner    Bild: Bernhard Rein

Chor des Städtischen Gymnasiums bot anspruchsvolles Konzert

Beifall für eine besondere Leistung

ETTENHEIM. Seit Jahren bereichert der Chor des Städtischen Gymnasiums das Musikleben der Stadt. Schüler, Eltern und Lehrer haben sich in dieser Singgemeinschaft zusammengefunden, um Werke der geistlichen und profanen Literatur aller Epochen zu erarbeiten. Mit der Messe in D opus 86 des böhmischen Meisters Antonin Dvorak, gelangte ein Werk zur Aufführung, das diese Anstrengung wert ist. Diese Gattung der musica sacra hat schon immer, seit der Handhabung der Mehrstimmigkeit, die Tonesetzer zu bedeutenden Vertonungen animiert
Ausgehend von der Gliederung der zentralen liturgischen Form der Messe stand der Gedanke der Verkündigung, das zum Gesang entfaltete Sprechen, im Mittelpunkt dieses Genres. Sehen wir von der Gregorianik ab, so weiß man, daß die mehrstimmige Vertonung der Texte des "Oridinarium missae" vor etwa 600 Jahren sich von England ausbreiteten. Palestrina, den man gemeinhin den Reformator der Kirchenmusik nennt, hat nicht nur die Polyphonie gerettet, sondern auch ganz eindeutig die Autonomie des Künstlers und die der Kirchenmusik gegenüber der Liturgie demonDie Tendenz zur künstlerischen Eigenaussage verstärkte sich zunehmend, während der Wiener Klassik noch äußerlich den barokken Traditionen verhaftet, realisierte Mozart einen wunderbaren Schwebezustand zwischen überlieferter Form und modernem Individualismus. In der Romantik, dabei denken wir auch an Dvorak wird diese ursprünglich liturgische Musik absolut. Nur noch mit den eigenen Mitteln und Strukturen drückt sich das religiöse Empfinden aus. Heute erweist sich die Liturgiereform der katholischen Kirche als ein stetiger Auflösungsprozeß. Die einst so stolze Tradition der geistlichen Musik, von der Gregorianik bis Strawinsky ist ins Museum verwiesen. Die Modernisierung die sich de facto ergeben hat, zerstört die Kraft der alten Zeichen und verhindert die Entstehung wirklicher Modernität. Dies sollten wir bedenken, wenn wir nicht nur rein ästhetisch und formelhaft einen eindrucksvollen Beitrag der Kirchenmusik anhören wie zum Beispiel die Dvorak-Messe.
Auch dieser Musiker ließ sich wie so viele großen Künstler von der alten Herrlichkeit des Sakramentalen begeistern und inspirieren. Verglichen mit den geistlichen Musiken seines Vorbildes Franz Schubert ist es eher eine schlichte Komposition. Das Kyrie läßt schon den volkstümlichen Charakter erkennen, ein pastoral schwingender Rhythmus in romantischer Gefühlsseligkeit. Auch im Credo offenbart sich die Vorliebe für das tripeltaktige Metrum. Im "et incarnatus est" vertieften die Chorsolisten die musikalische Aussage. In seiner homophonen Struktur entfaltet das Sanctus ein komprimiertes Klangspektrum, obwohl dieser Satz etwas knapp geraten ist. Der Chor verstand es immer, spannungsreich und dynamisch zu agieren. Sowohl die linearen Partien als auch die expressiv-chromatischen Steigerungen waren wirkungsvoll angelegt und verstärkten den lyrischen wie auch den dramatischen Gestus; auch in dem poliphon verdichteten "et iterum venturis est eum cum gloria". Im Benedictus und Agnus Dei kamen diese Qualitäten nochmals zutage. Der Dirigent Eberhard Gleichauf hatte gute Arbeit geleistet und mit dem homogen Klangkörper eine respektable künstlerische Leistung vollbracht.
Gleichsam als Introduktion spielte der Organist Matthias Burg eine Komposition von Louis Nicolas Clerambault. Der Musiker gehört dem Kreis jener frühen französischen Clavecinisten um die Wende des 17. und 18. Jahrhunderts an, die in ihrer Meisterschaft den Geist jener Zeit repräsentieren. In der "Suite de deuxime ton" reihte sich der Ouvertüre eine Folge stilisierter Tanzsätze an, die mit einem rustikalen Trompetenfugato ausklangen. Die kurzgefaßten Stücke sind heute noch reizvoll. Die instrumentale Wirkung verschaffte ihnen der Solist Matthias Burg mit seiner feinfühligen Wiedergabe, gestützt auf ein stilvolles Einfühlungsvermögen und die Kunst der Registrierung.

Schaller