>SEL-Chor>2001 Rossini

2001: Rossini - Petite messe solennelle


Badische Zeitung vom 13.11.2001
Text: Klaus Schade    Bild: Bernhard Rein

"Die leider letzte Todsünde seines Lebens", schrieben Kritiker über Rossinis "Petite Messe solennelle" - der SEL-Chor machte die "Sünde" zum Genuss für Konzertbesucher in Altdorf und Ringsheim

Welch schöne Todsünde

ETTENHEIM. Dass Sünden sich bisweilen dadurch auszeichnen, dass sie besonders angenehm, schön und verlockend sind, weiß der Normalsterbliche. Einer Todsünde, die gleichsam auf direktem Weg in den musikalischen Himmel führt, wendete sich der Schüler-Eltern-Lehrer (SEL)-Chor des Gymnasium zu: Gioacchino Rossinis "Petite Messe solennelle" bezeichneten Kritiker als "die leider letzte Todsünde seines Lebens".
Zu unterhaltend, zu opernhaft, zu weltlich, zu wenig dem ehrwürdigen Text verpflichtet sahen sie Rossinis Spätwerk an. Mit ihrer musikalischen Bewertung mögen sie Recht behalten haben. Wasich aber Heiterkeit, tänzerisches Element, Leichtigkeit nicht mit dem Lobpreis Gottes vereinbaren lassen sollte, das entzieht sich dem "modernen" Menschen des 21. Jahrhunderts.
Das Auditorium, das bei zwei gut besuchten Konzerten in Altdorf am Samstag und in Ringsheim am Sonntag andächtig der atemberaubend, sündhaft schönen Interpretation der "kleinen Messe" lauschte, vermochte offensichtlich keine Diskrepanz zwischen Wort und Ton zu vernehmen. Stehender Applaus waren Ausdruck der Begeisterung, die in diesem knapp anderthalbstündigen Konzert von den Darbietenden auf die Zuhörer überschwappte.
"Ohne Fleiß, kein Preis". Die Floskel klingt zwar abgedroschen - vor allem im schulischen Bereich -, was aber Schüler, Eltern, Lehrer und zahlreiche Ehemalige an musikalischer Präzision und Einfühlungsvermögen darbrachten, lässt die Disziplin der Probenarbeit ermessen, zu der Chorleiter Eberhard Gleichauf sein fast sechzigköpfiges Ensemble auch bei diesem Projekt zu begeistern wusste. Von der Elfjährigen bis zur Pensionärin, vom pubertierenden Jungmann bis zum musikvernarrten Oldie, alle präsentierten sich nach einjährigem Probenmarathon auf die Minute für das Finale topfit.
Dabei ist des Opernmeisters Messe alles andere als ein musikalisches Kinderspiel. Klein sind in dieser "Petite Messe" nämlich weder Umfang noch musikalischer Anspruch, sondern lediglich die orchestrale Besetzung, die mit Harmonium und Klavier eine reizvolle, aparte Instrumentation darstellt. Mit Matthias Burg (Harmonium) und dem mehrfachen Preisträger Jörg Schweinbenz (Klavier) hatte Chorleiter Gleichauf eine exzellente Wahl getroffen. Kein Wunder, dass Rossini dem Piano das letzte Wort, den letzten Ton in diesem Opus überlässt. Es ist führend während der gesamten Messe, ist Auftakt, Schluss in jedem Satz, erzeugt Spannung, setzt Pointen.
Wie bei den Instrumentalisten darf Gleichauf auch für die Wahl der Gesangssolisten beglückwünscht werden. Die Bedeutung der Gesangsoli in dieser Messe machte eine anspruchsvolle Auswahl unverzichtbar. Das professionelle Können der krankheitsbedingt kurzfristig eingesprungenen Benita Scheffler (Sopran), von Ellen Günther (Alt), Thomas Gleichauf (Tenor) und Markus Flaig (Bass) erhob sich nicht über die lupenreine Chorleistung, sondern ergänzte sich mit ihr zum uneingeschränkten Konzertgenuss.
Für die Verpflichtung der Solisten hat das Gymnasium weder Aufwand noch Kosten gescheut - und hat gut damit getan, weil durch deren Können ein Gesamtwerk gekrönt wurde, zu dem der Chor die Basis legte. Rossini, der SELund die vielen Zuhörer haben sich auf diese "Todsünde" eingelassen. Reue? Nichts wäre unangebrachter.

Schaller