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Theater im Foyer 2013:

Die Dreigroschenoper

von Bertolt Brecht/Kurt Weill

Polly Peachum, Tochter des „Bettlerkönigs“ Jeremiah Peachum, hat heimlich den Gangster Macheath geheiratet. Als ihr Vater das herausfindet, setzt er alles daran Mackie Messer hinter Gitter zu bringen, muss aber zur Bestechung greifen, da der Polizeichef Brown ein alter Freund des Gangster ist. Als die Polizei Mackie findet ist er bei den Huren. Doch als Mackie im Gefängnis auf seine Hinrichtung wartet, befreit ihn Browns Tochter Lucy, die ebenfalls mit Mackie verheiratet ist. Mackie geht abermals zu den Huren und wird abermals von ihnen verraten. Doch diesmal scheint es keinen weiteren Ausweg zu geben, und Mackie soll gehängt werden.

Brecht zielt mit der Dreigroschenoper auf die Entlarvung der korrupten Bourgeoisie. Auf der einen Seite erscheint der Bettlerkönig Peachum als Musterbeispiel des Geschäftemachers, für den Not und Armut nichts anderes sind als Mittel zum Zweck; aufder anderen Seite entpuppt sich der skrupellose Verbrecher Mackie Messer als Prototyp so genannter bürgerlicher Solidität.

Mit: Hannah Wilhelm, Annika Stumpp, Gabriele Schillinger, Sophie Brogle, Paula Frey, Rebecca Kromer, Sonja Lobreyer, Kira Schmieg, Benjamin Willmann, Maximilian Hecht, Moritz Hauer, Esra Mallée, Benedikt Enders, Felix Stief

Leitung: Erik Judenau/Eberhard Gleichauf/Tilman Heib

Fotos von der Premiere

Bericht des Ettenheimer Stadtanzeigers zur Premiere: Schier unvorstellbare Glanzleistung des gesamten Ensembles

Bericht vom Donnerstag, 16. Mai 2013

„Denn die einen sind im Dunkeln und die andern sind im Licht –und man sieht die im Lichte, die im Dunkel sieht man nicht“. Wer kennt sie nicht, diese bittere Erkenntnis aus Brechts „Dreigroschenoper“, weil sie so aktuell ist wie im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, als das Werk von Bertold Brecht und Kurt Weill (Musik) für Furore sorgte, so gültig gar wie im Soho des Victorianischen Zeitalters, in der die Dreigroschenoper angesiedelt ist.

Genial inszenierter Verfremdungseffekt bei der Aufführung dieses so aussagestarken Stückes durch die Theater-AG des Städtischen Gymnasiums, das am Montagabend dieser Woche sensationelle Premiere feierte und insgesamt vier Mal in dieser Woche aufgeführt wird. Denn all die Schauspieler, die sich da in der so schlichten und dennoch (oder gerade deswegen) eindrucksvollen 3D-Kulisse im Foyer der Schule bewegen – sie gehören teils mehr, teils minder (meist mehr) zu denen, die sich gesellschaftlich im Dunkel bewegen. Auf der Bühne indes sind sie die einzigen „im Licht“, wortwörtlich. Im Dunkel dagegen sitzen die, die das eindrucksvolle Spiel der Heranwachsenden im Handumdrehen in ihren Bann zieht.

Ist es ein Frühstart, ausgelöst durch Lampenfieber – ist es bewusst herbeigeführter theatralischer Effekt, dass die Figuren dieses Stücks schon die Kulisse bevölkern, deutlich, bevor der Uhrzeiger auf die „7“ gerückt ist?

Die Rollen werden erst(klassig) verteilt

Einige liegen schon in der Kulisse, andere kommen hinzu. Allesamt sind sie nur mit dem Nötigsten bekleidet – kein Wunder, schließlich ist ihnen ihre Rolle noch nicht zugeteilt. Das übernimmt dann die Erzählerin (ideal besetzt mit Paula Frey): „Du da, du spielst den Peachum, du Machaeth, du die Polly“ – und so weiter. Um es vorwegzunehmen: Man kann die Einschätzung der drei verantwortlichen Lehrkräfte im Vorfeld der Aufführung nur unterstreichen: Die Auswahl der Gestalten ist beeindruckend gelungen, nicht wenige verdienen sich hier das Attribut Glanzleistung.

Der Inhalt der „Dreigroschenoper“ ist hinlänglich bekannt und Schier unvorstellbare Glanzleistung des gesamten Ensembles schnell erzählt: Im Soho, einer der Vorstädte Londons im Victorianischen Zeitalter, wimmelt es nur so von undurchsichtigen und amoralischen Elementen. Zwei besonders herausragende „Elemente“: der Bettlerkönig Peachum, der aus vermeintlichem Elend und resultierendem Mitleid Kapital zuschlagen versucht. Sein großer Rivale: Bandenchef Jeff Macheath, genannt Mackie Messer, verantwortlich für organisierten Straßenraub, Einbruch, Vergewaltigung und Brandstiftung. Benjamin Willmann (Peachum) und Maximilian Hecht (Macheath) erweisen sich der ihnen zugedachten Hauptrollen als ebenso würdig wie beispielsweise Kira Schmieg als Peachums Frau oder Hannah Wilhelmals Polly, Peachums Tochter – und, ohne das Wissen der Eltern, unversehens Mackie Messers Frau (eine von mehreren, wie sich zeigen soll).

Lug und Trug helfen (scheinbar)

Lug und Trug nämlich sind nicht nur Mackies Erfolgsgaranten, Überlebenshilfen. Frack und Glacéhandschuhe täuschen den Edelmann vor, der er genauso wenig ist wie Polizeichef Brown (Felix Stief) die unbestechliche Staatsgewalt. Am offensten mit ihren Karten spielen, da die zahlreichen Huren, die Macheath schlussendlich fast zum Verhängnis werden. Die Frauen, die ihren Lebensunterhalt wortwörtlich „notgedrungen“ damit verdingen, dass sie ihren Körper verkaufen – sie haben es diesem Theater-Projekt in ganz besonderem Maße angetan. Mit dreien seiner Schauspielerinnen hat Regisseur Erik Judenau das Projekt P.I.N.K. in Freiburg kennengelernt, ein bundesweites Modell, das Frauen beim Ausstieg aus der Prostitution helfen will. Dabei haben sie mit Maria (deren wirklichen Namen sie in der Theaterbroschüre natürlich nicht genannt haben) gesprochen – und persönlich beeindruckende Erfahrungen sammeln können.

Eine der zahlreichen besonderen Herausforderungen der „Dreigroschenoper“: hier braucht es nicht „einfach nur“ gute Schauspieler, nicht „einfach nur“ gute Sängerinnen und Sänger – hier sind Schauspieltalent und gute Stimmbildung gefordert. Auch da kann man die Verantwortlichen nur beglückwünschen. Sie haben auch diese Herausforderung glänzend bestanden. Gänsehaut-Feeling pur, wenn Polly ihren Song vom „Schiff mit acht Segeln und fünfzig Kanonen“ anstimmt, bei anderen gesanglichen Darbietungen geht es einem nicht anders. Dabei ist Weills Musik mit ihrer vielfachen Atonalität alles andere einfach.

Gänsehaut-Feeling pur

Überhaupt die Musik. Sie ist untrennbarer Bestandteil dieser Aufführung, die nicht umsonst das Attribut „Oper“ trägt. Und sie ist so herausfordernd wie ihr Inhalt, der Text. Die beiden Musiklehrer, Tilman Heib und Eberhard Gleichauf, haben auch hier ganze Arbeit geleistet, mit den singenden Schülerinnen und Schülern ebenso wie mit dem elfköpfigen Orchester, in dem Eltern neben Schülern sitzen und unter Heibs Leitung das unverzichtbare, felsenfeste Fundament für die Oper bauen.

Wie im Flug vergehen die gut zwei Stunden, mit denen das gesamte Ensemble seine Zuschauer, Zuhörer in seinen Bann zieht. Über vieles gibt es in diesen zwei Stunden (und darüber hinaus!?) nachzudenken: „Die Welt ist arm, der Mensch ist schlecht“, wie Peachum in seinem Song befindet, oder: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral."

Schaller