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BERNARDA ALBAS HAUS - mitten im 21. Jahrhundert

im TiF 2014 (Theater im Foyer)

Bericht des Ettenheimer Stadtanzeiger (ks)

. „Was werden wohl die Leute dazu sagen?“ Wer kennt sie nicht, die „Sorge“, die Leute könnten sich über dies oder jenes ihr Maul zerreißen? Auch für Bernarda Alba, Mutter von fünf Töchtern, ist das Wichtigste zu erfahren, was im Dorf über sie und ihre Familie erzählt wird, ist für sie so gnadenlos wichtig, die Fassade nach außen zu wahren nach dem Tod ihres Mannes.

Acht Jahre, so will es die Gepflogenheit in den spanischen Dreißigerjahren, muss getrauert werden – und „solange kommt mir nicht einmal der Wind von der Straße ins Haus“, gebietet Bernarda. Der Wind nicht und erst recht kein Mann. Dabei sind Bernardas Töchter just in jenem Alter (oder schon ein bisschen darüber hinaus), in dem ihnen, der einen mehr, der andern verhaltener, „das Feuer zwischen den Beinen brennt“, wie es Adela, mit zwanzig Jahren die jüngste von Bernarda Albas Töchtern, unverblümt bekennt.

Aufrecht zu erhalten ist die Verlogenheit auf Dauer nicht. Wie sehr Bernarda auch Fenster und Türen vermauern will, wie sehr sie Töchter und die eigene Mutter, für deren Senilität und Debilität sie sich schämt, von der Außenwelt geheim halten will, sie kann auf Dauer nicht verhindern, dass Pepe, der attraktivste Mann im Dorf, gleich dreien ihrer Tochter schlaflose Nächte bereitet, buchstäblich. Autorität reibt sich in Schauspielgruppe des Städtischen Gymnasiums meistert die Herausforderung des spanischen Theaterklassikers mit Bravour Bernarda Albas Haus unentwegt mit Freiheit, Moral permanent mit sexuellem Begehren.

Nur Vergangenheit?

Das „Theater im Foyer“ (TiF) des Städtischen Gymnasiums Ettenheim, das am Dienstag den 20.05.2014 die Premiere dieses bedrückenden Stückes wortwörtlich meisterhaft auf die Bretter der neuen Theaterbühne zauberte, zieht bei seinen Aufführungen sofort all jenen den Zahn, die sich angesichts so trefflich gespielter Missgunst, Repressalien, Verlogenheit und aller Versuche, den Schein zu wahren, zurücklehnen und sagen: Okay, Andalusien, letztes Jahrhundert, weit weg, lange her. Auf der Fassade mit dem teils geschlossenen, teils weit geöffneten Fenster läuft, hinter den ganz in Schwarz gekleideten, reglos Trauernden (?) ein Schwarz-Weiß-Video – mit vertrauten Bildern: aus Ettenheim, mit den Protagonisten dieses Schauspiels – ein nachdenklich stimmender Introitus, der am Ende noch einmal gespielt wird, ehe der (imaginäre) Vorhang nach 80 bewegenden Minuten fällt. Könnten also Eifersucht, Vordergründigkeit, Verlogenheit, tyrannisches Gehabe, mehr Scheinen als Sein, der mögliche „Hagelschlag des Hasses“ (Bernarda Alba) – aber auch das Bedürfnis nach Liebe, nach Lebensfreude, die Sehnsucht nach selbst bestimmtem Leben – alles Konfliktpotenziale in Bernarda Albas Haus - auch im Ettenheim des 21. Jahrhunderts ihren Platz haben? Wir haben den Regisseur Erik Judenau nicht gefragt – die Beantwortung der Fragebleibt damit jedem selbst überlassen.

Was indes nach der Premiere am Dienstag unüberhörbar war, das war zum einen ein nicht enden wollender Applaus eines begeisterten Premiere-Publikums, das waren Attribute wie „fantastisch“, „faszinierend“, „überaus beeindruckend“, „eigentlich schon professionell“ der Besucher.

„Ich bin stolz auf euch“, bekannte Schulleiter Dr. Frank Woitzik merklich beeindruckt vom großen Teamwork hinter den Kulissen und auf der Bühne, an Akteuren und Unterstützern, und er dürfte Recht behalten haben, dass die Evaluationskommission, die unlängst die Schule in Augenschein nahm, dem Städtischen Gymnasium ganz sicher einen weiteren Exzellenz-Status verliehen hätte, hätte sie diese Aufführung miterlebt.

„Eins mit Stern“

Was Regisseur Erik Judenau mit seinem Theaterteam einmal mehr „zum Besten“ gab – wortwörtlich – verdient die Eins mit Stern. Anne-Catherine Müller als Bernarda Alba, Caroline Henninger, Annika Stumpp, Anouk Mallée, Gabriele Schillinger und Hanna Wilhelm als deren Töchter, Paula Frey als Bernardas Mutter, Kira Schmieg und Paula Kusserow als Hausbedienstete hielten die Charakteristika ihrer Rolle und die Spannung der gesamten Aufführung meisterlich. „Der Beifall ist der Lohn des Künstlers“ erinnerte Schulleiter Dr. Frank Woitzik in seiner abschließenden Laudatio – er fiel verdientermaßen reichlich aus, auch für das Teamhinter den Kulissen. Regelrecht genial der Einfall des Teams, die bekanntermaßen hohe gesanglichen Fähigkeiten dank Stimmbildungs-AG am Städtischen Gymnasium für drei Songs der isländischen Sängerin Björks zu nutzen. Wenn die Sängerinnen dazu im abgedunkelten Foyer ans Mikrofon traten, dann stand im Hintergrund auf der Bühne nicht nur die Welt in Bernarda Albas Haus, in dem sonst bisweilen „La vida loca“ (das verrückte Leben abspielte) still, dann hätte man im gut besetzten Auditorium auch jede Stecknadel fallen hören.

Federico Garcia Lorca (1898-1936)

war homosexuell. Von den spanischenNationalistenwurdeer deswegen – und wegen der offenen Gesellschaftskritik – gefoltert und ermordet. Unter dem faschistischen Franco-Regime blieben seine Werke bis 1953 verboten. Offen diskutiert werden konnten seine Werke und die darin vermittelten Botschaften in Spanien erst wieder nach Francos Tod 1975. Dass sich die TiF-Truppe – acht der Schauspielerinnen bauen in diesen Wochen ihr Abitur – an ein so zeitloses (!) und zugleich schweres Stück heranwagte, verdient Hochachtung wie die gesamte schauspielerische Leistung selbst.

Schaller